Dieser Montag hat 27 Stunden – denn der Flug aus Beirut verspätet sich. Wir warten lange am Berliner Flughafen, und während die herausflutenden Passagiere langsam weniger werden, fragen wir uns: Sind sie überhaupt dabei – unsere Leute aus Aleppo?
Zusammen mit den Angehörigen warten wir heute Nacht auf zwei Eltern und zwei Geschwister aus Aleppo. Mohammad zeigt Fotos herum: Die Nachbarstraße der Familie liegt heute nach jüngsten Angriffen in Trümmern, auf den Bürgersteigen Verletzte, Tote. Es war knapp. Es dauert ewig, bis das Flugzeug endlich landet. Nicht jeder kann so lange warten. Aber das ist irgendwie das Gesetz von Schönefeld: Je größer die Angst war, je größer die Gefahr – um so endloser vergehen die letzten Minuten. Unsere Leute sind immer die letzten. Der Flughafen ist längst leer, die letzten Flüge sind durch. Aber dann passiert es eben jedesmal doch, das Wunder, das Ankommen, das plötzlich-wieder-hellwach-sein. Ganz plötzlich sind sie da! Zwei Brüder liegen sich weinend in den Armen, eine Mutter will ihre Tochter nie wieder loslassen. Der Vater hat eben den ersten Flug seines Lebens hinter sich und betrachtet das bewegende Durcheinander wie einen Traum. Dann wird auch er gedrückt, umarmt, in den Begrüßungswirbel hineingezogen, in das, was wir heute abend zum hundertsten Mal erlebt haben: Das Ballett der Freude. Hundert Menschen haben wir nun aus dem Krieg in Syrien hierher geholt, und bei jedem Einzelnen ging es uns so wie heute nacht in Schönefeld: Wir sind einfach fassungslos vor Glück, das geschafft zu haben. Dass nur wenige dieses Glück haben können, weil unsere Möglichkeiten nun mal beschränkt sind, ist dieser Familie sehr bewusst. K., die Mutter der Familie, will Bürgin C. gar nicht mehr loslassen. Ohne ihre Unterschriften – und ohne die Hilfe hunderter Patinnen und Paten, die mit ihren monatlichen 10 € für Lebensunterhalt und Miete dieser Glücklichen aus Aleppo aufkommen – hätten wir dieses Wunder des Ankommens heute Nacht nicht erlebt. Bewegten Dank!