Wann wir helfen können – und wann nicht

Täglich fragen uns viele in Deutschland lebende Syrer/innen und engagierte Mitbürger/innen, die selbst Flüchtlinge kennen, ob sie selbst – oder wir – bei einem Familiennachzug für Angehörige helfen können. Unsere eigenen finanziellen Kapazitäten sind zur Zeit leider ausgeschöpft; selbst in guten (Spenden-)Monaten können wir meist nur 4 bis 5 Menschen helfen (ca. 1% der Anfragenden). Generell ist es aber möglich, dass Sie selbst (auch ohne unsere finanzielle Unterstützung) mithilfe einer Bürgschaft (Verpflichtungserklärung) Angehörige aus dem Krieg in Syrien nach Deutschland holen, wenn alle folgenden Voraussetzungen (kumulativ) vorliegen:

1. Familiennachzug durch Verpflichtungserklärungen nach den Landesaufnahmeprogrammen gibt es derzeit NUR für Angehörige syrischer Flüchtlinge (Ausnahme: Berlin, wo auch irakische Staatsbürger Angehörige herholen können). Es muss immer ein Angehöriger schon hier leben – die/der sog. Referenzperson. Wer keinen Angehörigen in Deutschland hat, bekommt nach unseren Erfahrungen derzeit kein Visum für Deutschland, – unabhängig davon, ob er oder sie in Aleppo, Idomeni oder einem anderen Ort lebt und unabhängig von der medizinischen, sozialen oder humanitären Situation. Auch Touristenvisa werden nicht erteilt, auch nicht mithilfe einer Verpflichtungserklärung.

2. Ein Familiennachzug mit Verpflichtungserklärung ist nur für Ehepartner, eigene Kinder, Eltern, Großeltern und Geschwister (und deren Ehepartner und minderjährige Kinder) möglich. Mit der Unterschrift unter eine Verpflichtungserklärung verpflichtet man sich gegenüber dem Staat, für maximal fünf Jahre die Kosten für den Lebensunterhalt und die Miete, nicht aber die Kosten im Krankheits- und Pflegefall zu übernehmen. Das Hereinholen von Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen ist generell nicht möglich; auch für volljährige Kinder von Geschwistern gibt es meist kein Visum (Ausnahme: Thüringen).

3. Der antragstellende Flüchtling (die sog. „Referenzperson“) muss schon mindestens ein Jahr in Deutschland sein, um Eltern und Geschwister nachholen zu dürfen. In Brandenburg und Berlin gilt als Stichtag „ein Jahr vor Antragstellung“. Wer erst einige Monate hier ist, kann auf diesem Weg keine Angehörigen aus Syrien herholen – auch wenn ein deutscher Staatsbürger eine Verpflichtungserklärung unterschreiben würde. Die syrische Referenzperson, deren Angehörige nachgeholt werden sollen, muss seit einem Jahr im jeweiligen Bundesland polizeilich gemeldet sein, bloße Anwesenheit reicht nicht aus.

4. Diese Referenzperson muss in einem Bundesland gemeldet sein, in dem es ein Landesaufnahmeprogramm überhaupt noch gibt. Das ist beispielsweise in Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen, NRW und vielen anderen Bundesländern derzeit leider NICHT der Fall. (Übersicht hier). Mit Stand vom 21. Oktober 2017 besteht diese Möglichkeit noch in Berlin, Brandenburg, Thüringen, Schleswig-Holstein und Hamburg. Wo in Deutschland die/der Verpflichtungsgeber/in lebt, ist dagegen gleichgültig. Ein schneller Umzug in ein Bundesland mit Landesaufnahmeprogramm scheitert in der Regel daran, dass man dort auch wieder erst ein Jahr gemeldet sein muss.

5. Es muss gegenüber der Ausländerbehörde eine Verpflichtungserklärung unterschrieben werden. Wir haben keine freien VerpflichtungsgeberInnen „auf Vorrat“, sondern suchen händeringend selbst welche. Wer eine solche Verpflichtungserklärung unterschrieben hat, muss den staatlichen Behörden (z.B. dem Jobcenter) sämtliche öffentlichen Mittel erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum aufgewendet werden, auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen (§ 68 AufenthaltsG). Kosten für Krankheit und Pflege übernimmt das Bundesland nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, die trägt der Bürge nicht. Um eine Inanspruchnahme aus der Verpflichtungserklärung zu verhindern, ist es wichtig, dass der Lebensunterhalt und die Wohnung der Angehörigen in Deutschland aus nicht-staatlichen Mitteln gesichert werden – so ist auch unser Verein entstanden: Im Freundes- und Bekanntenkreis haben wir uns um regelmäßige Spender bemüht, damit die „eingeladenen“ Angehörigen keine staatlichen sozialen Leistungen in Anspruch nehmen müssen.

6. Der reguläre Familiennachzug für minderjährige Kinder und Ehegatten anerkannter syrischer Flüchtlinge ist auch ohne Verpflichtungserklärung möglich; die Kosten der Angehörigen werden zwar vom Staat übernommen. Voraussetzung ist hier aber nach dem bis März 2018 geltenden „Moratorium“ – die (immer seltener werdende) Flüchtlingsanerkennung (und nicht nur subsidiärer Schutz). Der reguläre Nachzug ist quälend langwierig; bis ein Flüchtling seine Frau und kleinen Kinder wieder sieht, vergehen derzeit oft anderthalb bis zwei Jahre wegen des langen Wartens auf einen Botschaftstermin. Wir kennen keine Abkürzung und können hier auch leider nicht helfen!
Im Gegenzug wird hiesigen Referenzgebern MIT Asyl der Nachzug von Ehepartner/in und Kindern per Bürgschaft mitunter von der Ausländerbehörde verweigert, ehe der „reguläre“ Weg nicht gegangen wurde.

7. Wegen der Vielzahl der Anfragen beschränken wir uns in unserer Arbeit auf Menschen, die sich aktuell noch innerhalb Syriens befinden. Sicher ist auch das Leben in den Flüchtlingslagern der syrischen Nachbarländern sehr schwer; die Gefahr von Bombardements, Zwangsrekrutierung, Verschleppung und Vergewaltigung macht Syrien aber generell zum gefährlicheren Aufenthaltsort. Bitte fragen Sie für andere Personen nicht an.
Generell können Sie selbst aber mit einer Bürgschaft Angehörige aus Syrien und den angrenzenden Ländern nach Deutschland holen (nicht aus Griechenland).

8. Der Fokus unserer eigenen Arbeit liegt – im Rahmen unserer finanziellen Spielräume – auf echter Familienzusammenführung und eher auf Einzelfällen und kleinen Gruppen bis 3 Leuten. Wenn in einer Familie nur noch ein einzelner Angehöriger zurückgeblieben ist, wenn nur noch die alten Eltern herausgeholt werden sollen – oder die Schwester mit ihrem kleinen Kind: Dann sind wir im Rahmen unserer – derzeit leider restlos ausgeschöpften – Kapazitäten ansprechbar. Große, komplette Familien („Mein Bruder mit seiner Ehefrau und vier Kindern“) sehen wir problematischer, weil wir zunächst viele Spendenmittel und Verpflichtungsgeber finden und bündeln müssen, um eine im Grunde intakte Familie komplett hierher zu holen. Den Vorzug geben wir eher den einzelnen Zurückgelassenen, Fluchtunfähigen als solchen ganzen Familienverbänden. Zusätzlich erarbeiten wir für jeden einzelnen Fall ein Gefährdungsprofil in Zusammenarbeit mit der SWP in Berlin (Stiftung Wissenschaft und Politik) und versuchen, extrem Gefährdete schneller herauszuholen als andere.

Diese etwas rigide Beschränkung auf unsere eigene Arbeit ist für Sie und Ihr Engagement möglicherweise enttäuschend. Aber unsere Philosophie ist, dass wir lieber für wenige alles tun … als für alle wenig. Deshalb wollen wir diese Spezialisierung unserer Arbeit aufrecht erhalten; sie ist ohnehin schon ausufernd und kräftezehrend.
Von etwa 100 Anfragen können wir nur bei einer zusagen – unsere finanziellen Kapazitäten als kleiner Verein sind leider sehr beschränkt. Umso mehr freuen wir uns über regelmäßige Patenschaften, die es uns ermöglichen, erneut tätig zu werden und weitere Angehörige aus den Bürgerkriegsgebieten in Sicherheit zu bringen!